Kinky Talk: Aufklärung, Bondage und Community – My Playrooms im Gespräch mit Mary
In diesem ausführlichen Interview zwischen Lena (Social Media Managerin von My Playrooms) und Mary (BDSM-Aufklärerin und Stammtisch-Organisatorin) geht es um Marys persönlichen Werdegang in der BDSM-Szene, ihre ersten Erfahrungen mit Bondage, den Umgang mit Grenzerfahrungen wie „Consensual Non-Consent“ (CNC) oder NS/KV, die Bedeutung von Kommunikation und Aftercare sowie den Stellenwert von Stammtischen und Partys für Austausch und Vernetzung. Darüber hinaus sprechen beide über den Reiz spezieller BDSM-Räumlichkeiten (Playrooms), organisierte Fetischpartys, das Kennenlernen von Gleichgesinnten und die wichtige Botschaft, wie entscheidend Offenheit, Respekt und Konsens in der BDSM-Szene sind. Mary ist dabei die erfahrene Aufklärerin, die seit 2017 in der BDSM-Szene aktiv ist. Sie organisiert Stammtische, Fesseltreffen und ist bekannt für ihre Social-Media-Arbeit im Bereich BDSM-Aufklärung. Lena vertritt My Playrooms, eine Plattform zur Buchung spezieller BDSM-Apartments. Sie moderiert das Gespräch und steuert eigene Erfahrungen zu Partys, Bondage und D/s-Konstellationen bei.
Teil I
Lena: Herzlich willkommen beim Kinky Talk mit My Playrooms! Heute zu Gast ist unsere liebe Mary. Mary, stell dich doch bitte kurz vor – wer bist du und was machst du?
Mary: Hallo, ich bin Mary. Ich betreibe BDSM-Aufklärung auf verschiedenen Social-Media-Plattformen und eben auch offline, zum Beispiel durch meinen Stammtisch und einen Fesseltreff. Da organisiere und begleite ich Menschen, die in die BDSM-Szene reinschnuppern möchten oder schon länger dabei sind. Ich versuche, meine Erfahrungen weiterzugeben, um Vorurteile abzubauen und Neulinge zu unterstützen.
Lena: Du hast also deinen eigenen Stammtisch. Wie kam es dazu, dass du BDSM-Content und Aufklärung betreibst?
Mary: Ich bin quasi „reingerutscht“. 2017 habe ich erstmals Kontakt zur BDSM-Szene bekommen. In meinem Umfeld ist dann immer wieder der Begriff SMJG gefallen – das ist ein Verein im deutschsprachigen Raum, der Aufklärungsangebote speziell für junge Menschen zwischen 14 und 27 macht und Stammtische anbietet. Ich bin damals über Freunde hingekommen. Nach etwa zwei Jahren fragte man mich, ob ich den Stammtisch nicht mitorganisieren will. So wurde ich Teil des Orga-Teams. Mir war Aufklärung immer wichtig, da ich in meiner Jugend gern jemanden gehabt hätte, der mir sagt: „Hey, deine Fantasien sind okay, du bist nicht alleine damit.“ Außerdem war ich schon immer Social-Media-affin und hab irgendwann ein TikTok-Video über den Stammtisch gepostet. Darunter kamen massenhaft Fragen, und daraus entstand mein eigentlicher Account. Offenbar gab es viel Bedarf, sich über BDSM auszutauschen.
Lena: Wie war denn damals die Reaktion aus deinem persönlichen Umfeld, als du mit BDSM-Content in die Öffentlichkeit gegangen bist?
Mary: Ehrlich gesagt sehr neutral. Die meisten Freunde wussten schon, dass ich Shibari mag und Bondage-Bilder auf Instagram poste. Manche sind Vanilla, fanden das aber weder schockierend noch ungewöhnlich – sie dachten eher: „Okay, das passt zu ihr.“ Ich selbst habe früher sehr mit meinen Fantasien gehadert und war nicht ganz so offen. Doch irgendwann verlor sich die Angst, und ich wurde selbstbewusster. Das Umfeld hat das dann positiv aufgenommen.
Lena: Du hast vorhin Shibari erwähnt. Wie war deine erste richtige Fesselerfahrung?
Mary: Oje, da denke ich mir heute: „Wie konntest du nur so naiv sein?“ Das lief so: Ich habe früher mehr gemodelt, ein Fotograf hatte auf einem Portal Shibari-Fotos angeboten. Wir hatten zwar monatelang Kontakt, aber schließlich bin ich allein in sein Zuhause gegangen, um mich fesseln zu lassen – ohne große Ahnung, ohne Backup außer „Mein damaliger Freund kennt die Adresse.“ Das war’s. Wir haben da direkt eine Teil-Suspension ausprobiert. Ich wusste nichts über Risiken, es gab kaum Aufklärung. Das hätte total schiefgehen können. Zum Glück ging’s gut aus. Heute rate ich dringend: Trefft euch anfangs lieber auf Fesseltreffen, schaut, wie die Leute ticken, und lernt ein paar Basics, damit ihr einschätzen könnt, ob der Rigger weiß, was er tut.
Lena: Kann ich gut nachvollziehen. Bei meiner ersten Bondage-Erfahrung war ich danach komplett durch den Wind und brauchte viel Aftercare. Wie war das denn bei dir oder wie siehst du das generell?
Mary: Aftercare ist essenziell. Gerade bei Sub-Drop tauchen oft im Nachhinein niedergeschlagene Gefühle auf. Es kann passieren, dass man sich plötzlich traurig fühlt und gar nicht versteht, warum. Und das muss nicht heißen, dass irgendwas in der Session falsch lief. Bei einer Session werden eben Hormone ausgeschüttet, und wenn die abflauen, können wir emotional abstürzen. Das kann dir als Sub genauso passieren wie dem Top (Dom-Drop). Auch der Dom kann damit kämpfen, jemanden zu schlagen oder zu fesseln – obwohl es ja nur im beiderseitigen Einverständnis passiert. Wenn man danach nicht redet oder der Partner sich keine Zeit nimmt, ist das eine große Red Flag.
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Lena: Wie war es bei dir persönlich, als du anfingst, deine Fantasien wirklich auszuleben?
Mary: Ich habe mich anfangs ziemlich allein gefühlt, weil kaum jemand über BDSM spricht. Für 15-, 16-, 17-Jährige ist es meist nicht einfach, Gleichgesinnte zu finden. Wir wachsen ja auf mit der Idee von „normalem“ Blümchensex. Wenn man dann Bondage oder BDSM mag, weiß man oft nicht, mit wem man darüber reden kann. Darum finde ich es so wichtig, dass es die SMJG und ähnliche Aufklärungsformate gibt. Im Internet liest man zwar viel, aber kann auch an Leute geraten, die unsichere Praktiken empfehlen. In Real-Life-Stammtischen findet man häufig ein gutes Auffangnetz. Lena: Absolut. Mir ging’s ähnlich. Ich hatte schon immer etwas ausgefallenere Fantasien, fand aber selten Austausch. Irgendwann war ich dann auf Stammtischen, auf Partys, und habe Leute kennengelernt, die es ernst meinen und auf Sicherheit achten. Das hat mir unglaublich geholfen.
Umgang mit falschen Rollenbildern und „dumme Doms“
Mary: Die echte BDSM-Community geht sehr respektvoll miteinander um. Natürlich gibt es schwarze Schafe. Im Internet schreiben mir regelmäßig Leute: „Ich bin dein neuer Dom! Knick nieder!“ – ohne mich zu kennen. Das ist so eine Red Flag. Richtig gelebtes BDSM basiert auf Respekt, Konsens, Kommunikation. Lena: Das sehe ich auch ständig. Ich bekomme haufenweise Nachrichten von „Doms“, die mich – obwohl sie wissen, dass ich vergeben bin – sofort zu etwas zwingen wollen. Ein echtes D/s-Verhältnis ist dagegen etwas ganz anderes: Vertrauen, Offenheit, Aftercare, gemeinsames Reflektieren.
Erste Bondage-Suspension und persönliche Grenzen
Lena: Ich hatte mal eine Session, bei der ich zwei Tage hintereinander gefesselt wurde. Am zweiten Tag wurde ich sogar aufgehängt. Danach fiel ich emotional total in mich zusammen und wusste gar nicht, ob ich das gut oder schlecht fand. Im Moment schien es toll, aber später hatte ich Panik. Wie siehst du das?
Mary: Wenn man merkt, dass man Absprachen braucht oder sich unwohl fühlt, sollte man das unbedingt kommunizieren. Manchmal weiß man erst im Nachhinein, wie eine Session mental nachwirkt. Dann hilft ein gutes Gespräch mit dem Partner oder einer vertrauten Person. Im BDSM ist es wichtig, auf sich selbst zu achten. Wenn mein Bauchgefühl „Stopp“ sagt, dann höre ich darauf.
Partys, Szene-Events und unterschiedliche Ausrichtungen
Lena: Du bist ja auch auf vielen BDSM- oder Fetisch-Veranstaltungen unterwegs. Woher bekommst du deine Infos?
Mary: Ich nutze Plattformen wie Joyclub, FetLife oder Instagram. Da werden viele Events ausgeschrieben. Manchmal findet man auch private Gruppen in Telegram – da kommst du über regionale Stammtische rein. Viele „kleinere“ oder private Partys werden nur so herumgereicht.
Lena: Wie erlebst du die Unterschiede zwischen großen Kinky-Raves, etwa im KitKat, und reinen BDSM-Partys?
Mary: Das KitKat war wirklich beeindruckend: Riesige Flächen, Chill-Out-Areas, man kann sich hinlegen, kuscheln, tanzen, spielen. Trotzdem ist es eine Tanzparty – der Fokus ist eher auf Musik, Rave und Nachtleben. Manche Bereiche haben zwar BDSM-Elemente, aber es ist nicht so „intim“ wie in einem reinen BDSM-Club. Auf Kinky-Raves sind zudem viele Leute unterwegs, die nicht zwingend BDSM-erfahren sind. Es kann passieren, dass man sich unwohl fühlt, wenn Leute alkoholisiert sind. Für intensives Spielen suche ich lieber private oder klassische BDSM-Events, wo ein gewisser Verhaltenskodex und Safer-Sex-Regeln gelten.
Negative Erfahrungen, Konsensverletzungen und Safer Spaces
Mary: Ich habe zum Glück noch keine richtig schlimmen Dinge erlebt, aber schon mitbekommen, dass Leute auf Partys bedrängt wurden. Oder dass Veranstalter*innen diskriminierend auftraten. Ein echtes No-Go. Mir ist wichtig, dass man sich auf BDSM-Veranstaltungen sicher fühlt und die Leute wissen: Nur weil ich hier bin, heißt das nicht, dass jeder alles mit mir machen darf. Lena: Ganz genau. Nur weil ich meinen Freund küsse oder mit ihm spiele, heißt das nicht, dass andere ein Recht haben, mitzumachen. Bei vielen Kinky-Raves sind zudem Alkohol und Drogen allgegenwärtig. Ich bleibe da lieber nüchtern, weil ich klare Sinne behalten möchte.
Intensive Rollenspiele, CNC und Grenzen
Lena: Du hast ja Erfahrung mit intensiven Szenarien wie z.B. Hausfriedensbruch-Szenarien oder CNC. Wie war das bei dir oder in deinem Umfeld?
Mary: Wir haben mal eine Freundin in ihrem Consent entführt, weil sie mit ihrem Partner eine CNC-Dynamik hatte und das angedeutet hatte. Sie wusste zwar grob, dass irgendwann mal was passieren könnte, aber nicht wann genau. Es war eine ziemlich krasse, aber gut durchgeplante Aktion. Direkt danach fand sie es auch super. Doch zwei Wochen später spürte sie eine gewisse Paranoia: „Kann sowas wieder passieren?“ Dabei war alles abgesprochen, aber das Unterbewusstsein spielt uns einen Streich. Wir haben das lange nachbesprochen, auch Monate später. Dieser Delayed Drop kann passieren, wenn man so heftig an Grenzen geht.
Lena: Genau das kenne ich. Ich bin nicht mal richtig entführt worden, aber mein Partner hatte meinen Schlüssel und saß plötzlich bei mir in der Wohnung – in komplett schwarzem Outfit. Ich bin so erschrocken! Danach habe ich eine Woche gebraucht, um zu realisieren, ob das jetzt „gut“ war oder nicht. Ich fühlte mich richtig unwohl in meiner eigenen Wohnung. Man muss bei solchen Fantasien sehr gründlich kommunizieren und aufeinander achten.
„Opfergabe“: Marys rituelle Performance
Lena: Du hast in einem deiner Videos von einer „Opfergabe“ erzählt, bei der du selbst das „Opfer“ warst. Das klingt sehr intensiv. Was war das genau?
Mary: Es war auf meiner großen Gartenparty mit rund 70 Gästen. Dort gibt es so eine Steinkreis-Arena und eine riesige, verwurzelte Baumstumpf-Skulptur. Ich hatte schon immer die Fantasie, jemanden dort rituell zu opfern – fand aber niemanden Freiwilligen. Also hab ich mich selbst geopfert. Mein bester Freund hat die Zeremonie geleitet. Ich wurde nackt kopfüber gefesselt, sechs Leute trugen mich in diese Arena, und dann durfte jeder Gast „Opfergaben“ erbringen: Erde, Blumen, Glitzer… Eine echte Hexe war auch dabei und sprach ein Ritualtext. Dann tauchte ich in einen Pool zum „Wiederauferstehen“. Es war sehr intensiv, weil 70 Leute im Chor etwas riefen. Ich hab im Moment selbst gar nicht alles realisiert, war bei mir und fühlte nur so eine krasse Energie. Später, als ich die Fotos sah, war ich total fasziniert.
BDSM-Apartments und Playrooms
Lena: Du warst bisher noch nie in einem gemieteten BDSM-Apartment?
Mary: Nein, noch nicht. Ich war immer eher auf Privatpartys, in Clubs oder bei Freunden. Aber ich sehe den Reiz, sich einen Raum zu buchen: Man ist völlig ungestört und kann laut sein, ohne Rücksicht auf Nachbarn. Man hat spezielle Möbel und das Ganze ist sauber und ordentlich. Ich kann mir vorstellen, dass das eine richtig tolle Erfahrung ist.
Lena: Genau deshalb gibt es My Playrooms. Viele suchen ewig nach geeigneten Räumen, googeln herum, finden veraltete Websites oder geschlossene Apartments. Wir sind sozusagen eine Buchungsplattform, die verschiedene BDSM-Räumlichkeiten auflistet, mit verlässlichen Infos und Filtern – damit man schnell findet, was man braucht. Keine bösen Überraschungen.
Mary: Das klingt super. Ich kenne Joyclub, aber manchmal sind dort alte Anzeigen, und man weiß nicht, ob es das Apartment überhaupt noch gibt. Außerdem ist so eine zentrale Plattform übersichtlicher. Und gerade wenn ich weiß, dass die Räume vorher geprüft wurden, fühle ich mich sicherer.
Worauf Mary bei BDSM-Apartments achten würde
Mary: Ich bin ein sehr visueller Mensch und stehe auf stimmiges Licht. Wenn es z.B. Hängepunkte für Bondage gibt, finde ich das großartig. Ob nun spezielle Möbel wie ein Sklavenstuhl oder eine Fesselwand vorhanden sind, ist mir weniger wichtig als eine durchdachte Atmosphäre. Und natürlich sollte alles sauber sein. Lena: Verstehe ich total. Bei manchen Apartments gibt es Duschen mit Fesselmöglichkeiten, eigene Aufhängungen oder riesige Bondage-Rahmen – da kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus.
Kommunikation, Konsens und Offenheit
Lena: Hast du sonst noch Tipps für Neulinge oder wichtige Punkte?
Mary: Mein größter Tipp: Hört immer auf euer Bauchgefühl und lasst euch nicht einreden, dass es nur „den einen wahren BDSM-Weg“ gibt. Wenn euch etwas nicht stimmig vorkommt, lieber nochmal nachhaken oder absagen. Und informiert euch, zum Beispiel auf Stammtischen, über Risiken und Spielarten. Gute Kommunikation ist alles – vor, während und nach einer Session.
Lena: Ja, und es ist völlig okay, erst später zu merken, dass einen etwas doch belastet. Redet dann drüber, holt euch Hilfe und klärt es. Das gilt auch für Doms, die nach einer Session einen „Dom-Drop“ haben. Ohne offene Gespräche kann das Vertrauen schnell zerbrechen.
Noch mehr über My Playrooms
Lena: Wir von My Playrooms schauen uns die Apartments genau an, verlangen bestimmte Qualitätsstandards und stellen sicher, dass Fotos und Beschreibungen stimmen. Niemand soll die Katze im Sack kaufen. Wir hoffen natürlich, dass Leute wie du das bald mal ausprobieren.
Mary: Ja, ich habe jetzt definitiv Lust bekommen! Ich kann mir vorstellen, vielleicht mit ein paar Freunden ein ganzes Wochenende zu buchen – so, dass wir verschiedene Möbel und Settings in Ruhe testen können, ohne Clubs, ohne neugierige Nachbarn.
Lena: Mary, danke dir so sehr für deine Zeit und deine Offenheit! Ich finde es spannend, wie du in die Szene eingestiegen bist, was du heute machst und wie du anderen Hilfestellungen gibst.
Mary: Ich danke dir! Ich freue mich sehr über den Austausch. Gerade weil wir gemeinsam zeigen können, dass BDSM mehr ist als ein Tabuthema – es ist eine bunte, offene Welt, solange wir alle auf Konsens und Respekt achten. Lena: Danke, Mary! Und an unsere Zuschauer und Zuhörer: Hinterlasst gerne eure Fragen oder Anmerkungen in den Kommentaren. Wer mehr über unsere Plattform erfahren möchte, schaut gerne auf my-playrooms.de vorbei. Mary & Lena (beide lachend): Bis zum nächsten Mal – Tschüss!